Die Ungehaltenen
Der Protagonist Elyas birgt eine Melancholie in sich, die mit seiner äußeren Lebenssituation korrespondiert: Seine Freundin hat ihn verlassen, sein Vater erkrankt an Krebs und stirbt, das Studium zieht ihn überhaupt nicht an. Elyas ist türkischstämmig, dritte Einwanderergeneration und in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen, der größten türkischen Ansiedlung außerhalb der Türkei. Elyas erzählt in der Ersten Person. Das verlebendigt das Vorgetragene stark. Während er vorgibt Jura zu studieren, hängt er in Kneipen ab. Onkel Cemal ist die einzige Person, deren Rückmeldungen er sich anhört und zu Herzen nimmt. Eben jener Onkel Cemal, der doppelt heimatlos ist. In der Türkei und in Kreuzberg - nach dem Zusammenfall des Kiezes durch den Mauerfall. Seine quasi in orientalischer Erzähltradition vorgetragenen Rückblicke auf die deutsch-türkische Geschichte mausern sich zu den starken Teilen des Buches. Irgendwann verliebt sich Elyas in Aylin, eine junge Ärztin, sinnbildlich auf der offiziellen Feier zum Anwerbeabkommen mit der Türkei. Die Geschwindigkeit der Erzählung ist angenehm langsam. Werden Elyas und Aylin es schaffen ihre Traurigkeit und ihren Missmut gemeinsam loszuwerden? Stipe Ercegs Stimme passt gut zum Gesamtkonzept des Romans. Utlus Debüt ist vieles: "Berlinroman, Liebesgeschichte, Einwanderschicksal, Identitätssuche, Generationenporträt, Roadnovel" (siehe Cover).
Karsten Steil-Wilke
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Ungehaltenen
Deniz Utlu. Gelesen von Stipe Erceg
Hörbuch Hamburg (2014)
5 CD (ca. 330 Min.)
CD