Die Welt der Söhne
Eine Giftkatastrophe hat beinahe alles Leben ausgelöscht. Ein überlebender Vater zweier Söhne fristet mit Jagd und Fischfang sein kärgliches Dasein. In einem Buch hält er seine Erinnerungen fest. Als der Vater stirbt, suchen die analphabetischen Söhne jemanden, der ihnen diese Aufzeichnungen vorlesen kann. Ihre Odyssee führt sie zu den Schrecken einer dysfunktionalen Welt. Ohne Moral, ohne Empathie, ohne Trost und ohne Hoffnung ist das Leben, das der Autor dieser Graphic Novel vor den Lesern ausbreitet. Der Mensch ist des Menschen Wolf: Kannibalen machen Jagd aufeinander, Monster halten Sklaven und errichten Todeslager. Es gibt in dieser Geschichte wenig, was einen am Lesen hält, außer vielleicht der Frage, was das Schicksal für die Brüder noch bereithält, auch wenn die Aussicht auf einen Funken Humanität am Ende doch aufleuchtet. Vielleicht war der Roman "Das große Heft" von Agota Kristof eine Vorlage für dieses entmenschlichte Setting. Zeichnerisch ist diese Arbeit freilich grandios, mit geschwärzten Seiten, klaffenden Leeren, verwischten Porträts und fragmentierten Dialogen. Dennoch kann hier keine Empfehlung für eine Bibliothek ausgesprochen werden, angesichts des ausweg- und grenzenlosen Elends, das dem Leser zugemutet wird.
Dominique Moldehn
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Welt der Söhne
[Text und Zeichnung: Gipi]
Avant-Verl. (2018)
279 S. : überw. Ill.
fest geb.