Geraubte Namen
In der Schule wird ein Kind zum Opfer von Mobbing. Diese Erfahrung greift das Kind nicht nur physisch an, Mobbing zielt auf die Psyche, ja, auf das Existenzrecht des Opfers. Ihm wird der Name geraubt, das erste Merkmal eines Individuums. Dieses gravierende Thema in einem Bilderbuch zu behandeln, gelingt hier in beeindruckender Weise. Das namenlose Kind hat kein Gesicht und auch seine Mitschüler/-innen sind allein durch Apfelköpfe gekennzeichnet. Dadurch wird eine abstrahierende Ebene eröffnet, die bewirkt, dass der Geschichte Allgemeingültigkeit verliehen wird. Gezeigt werden düstere, holzschnittartige Szenen, die den Schulalltag wie einen Gefängnisaufenthalt schildern. Nur kurze Textzeilen beschreiben, was dem Kind passiert; die Gründe der Täter bleiben im Dunkeln. Doch genau über diese Gründe muss gesprochen werden. Hier liegt das Potential des Buches: wünschenswert wäre, dass es mit einer Gruppe von Kindern betrachtet und besprochen wird. Gerade in der Offenheit, die den Bildern innewohnt, liegt die Chance, das unselige Täter-Opfer-Schema aufzubrechen und eine empathische Gemeinschaft zu befördern. Mit diesem Buch können die ersten Schritte dazu gelingen. – Sehr empfehlenswert!
Dominique Moldehn
rezensiert für den Borromäusverein.
Geraubte Namen
Tàssies ; aus dem Katalanischen übersetzt von Jochen Weber
Edition Bracklo (2022)
[40] Seiten : farbig
fest geb.
Borromäus-Altersempfehlung: ab 7