Ein Bungalow
Was macht ein Haus mit uns? Inghill Johansen erzählt davon, wie wir ihn ihm wohnen, aber auch, wie ein Haus in uns wohnt. Ausgangspunkt ist der Abriss des Hauses, dass der Großvater kurz vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut hat, ein bungalowähnliches Walmdach-Modell, das sich bald ausbreitete, dann aber aus der Mode kam. In kurzen Reflexionen und Erinnerungsfragmenten erzählt die Autorin, was sie mit diesem Haus verbindet und wozu sie es braucht. Und das ist zweideutig und höchst widersprüchlich. Denn so freundlich ihr manche Requisiten erscheinen wie die alte Badewanne, in der sie als Kind an heißen Sommertagen von ihrer Mutter mit kühlem Wasser begossen wurde, so widerspenstig sind die Zimmer, die keine richtige Funktion haben. Das Haus wirkt anziehend und abschreckend zugleich, der Fußboden ist schief, das Dach löchrig, die Tapete rissig, Ameisen wandern durchs Haus, als es nach dem Krankentransport der Mutter nicht mehr bewohnt ist. Die Erzählerin ersetzt die Inventur des Hauses durch eine Inspektion ihres Körpers, der Augäpfel, der Nägel, des Nabels. Das aber mündet nicht in eine eigensinnige Nabelschau. Es geht in dieser wunderbaren Erzählsuite um das, was ein Mensch eigentlich behaust, seinen eigenen Körper oder eine bebaubare Wohnung, es geht um Eigenbau und Raubbau. Die Form des Erzählens schmiegt sich diesem Thema an, denn wir können Johansens Buch wie eine Zimmerflucht lesen und der Erzählerin mit ihren eigenen Worten als „Schauspielerin ohne Rolle“ folgen. Eine lohnende Lektüre aus der mit dem Nobelpreis an Fosse florierenden norwegischen Literatur.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Ein Bungalow
Inghill Johansen ; aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger
STROUX edition (2023)
153 Seiten : Illustrationen
fest geb.