Große Fahne West
Es ist sicher kein Zufall, dass die geschilderte "Sommerliebe zwischen Ost und West" (Umschlag) zeitlich in etwa zwischen dem Fall der Mauer und dem 3. Oktober 1990, dem Tag der Deutschen Einheit, angesiedelt ist und dass zwei verschlafene Provinznester an der ehemaligen innerdeutschen Grenze den Schauplatz abgeben. Denn diese schwierige, keineswegs leichtfertige Liebe zwischen dem 18-jährigen Westdeutschen Peter Leversen und der gleichaltrigen Ostdeutschen Engellena Schmidt (beide lernen sich anlässlich eines von ihrer Kirche vermittelten Jugendaustausches kennen) kann man, wenn man's pathetisch möchte, auch als Symbol für die Vereinigung der beiden deutschen Staaten sehen. Beide sind von Anfang an neugierig aufeinander und fühlen sich bei aller irritierenden Distanz zueinander hingezogen und füreinander bestimmt. Aber beide müssen erst einmal - und dies wird pointenreich, mit trockenem Humor und großer Empathie geschildert - manche Ressentiments und einige psychologische Hürden überwinden. Und diese resultieren natürlich aus ihrer unterschiedlichen Geschichte, aus ihren so verschiedenen Lebensverhältnissen, Vorurteilen und Anschauungen, die der Autor - und das ist eine der großen Stärken des Romans - in der ungemein lebendigen Schilderung der DDR-Alltagswelt der Wendezeit einzufangen weiß. So unprätentiös, erfrischend lebendig, unsentimental, humorvoll und klug wie Ocke Bandixens zweiten Roman wünscht man sich eine deutsch-deutsche Liebesgeschichte. Hat Niveau und macht trotzdem Spaß!
Große Fahne West
Ocke Bandixen
Osburg (2013)
283 S.
fest geb.