Manhattan transfer

Im Stil eines ausufernden Kaleidoskops entwarf der Schriftsteller, Journalist und Drehbuchautor John Dos Passos ein Zeitporträt von der Jahrhundertwende bis Mitte der 1920er Jahre, das keiner stringenten Handlung folgt. Einige Schicksale werden nur Manhattan transfer angerissen, während anderen Charakteren eine bedeutende Funktion zukommt. Wiederholt taucht die um die Jahrhundertwende geborene Ellen Thatcher (Maren Eggert) samt ihren amourösen Verwicklungen auf. So begegnet sie dem unglücklichen Stan Emery (Andreas Pietschmann), heiratet den großspurigen Schauspieler John Oglethorpe (Ulrich Noethen) und später den gescheiterten Journalisten Jimmy Herf (Max von Pufendorf). Ein wichtiger Part fällt Aufsteiger George Baldwin (Ulrich Matthes) zu, der sich vom Winkeladvokaten zum Politiker wandelt. Rund um den Fernbahnhof von Manhattan schufen Regisseur Leonard Koppelmann und Komponist Herrmann Kretzschmar in ihrer knapp sechsstündigen Hörspieladaption ein Kaleidoskop um Figuren wie einen arroganten Kriegshelden, einen unehrenhaft entlassenen Deserteur, Einwanderer, Tänzerinnen, Matrosen, Näherinnen, Alkoholschmuggler, Diebe oder Vatermörder. Zwischen Generations- und Gesellschaftskonflikten, dem Streben nach Selbstständigkeit, Glück und Macht entstand eine virtuose Zeitcollage. Im Stil eines Robert Altman-Films vermischen und überlappen sich häufig die Stimmen des rund 50-köpfigen, prominent besetzten Ensembles, bis sich die nächste Sequenz herausschält. Die jazzigen, mitunter dissonanten Klänge des Frankfurter Ensemble Moderne und der HR-Big Band setzten oft musikalische Widerhaken in der dreiteiligen Mammutproduktion.

Gregor Ries

Gregor Ries

rezensiert für den Borromäusverein.

Manhattan transfer

Manhattan transfer

John Dos Passos. Hörspiel von Leonhard Koppelmann ... Mit Stefan Konarske ...
Hörbuch Hamburg (2016)

6 CD (ca. 338 Min.)
CD

MedienNr.: 586536
ISBN 978-3-95713-027-3
9783957130273
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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