1984
George Orwells 1948 entstandener utopischer Roman über einen in naher Zukunft existierenden totalitären Überwachungsstaat ist bis heute ein wirkmächtiges, bis in unsere Alltagssprache hinein ausstrahlendes Werk ("Big brother is watching you") geblieben.
Nun haben zwei französische Autoren 1984 in eine grafische Erzählung umgesetzt. Die Graphic Novel hält sich eng an die Romanvorlage, in der zunächst der am System zweifelnde, für das Wahrheitsministerium Geschichtsfälschung betreibende Winston Smith im Mittelpunkt steht. Dieser geht im zweiten Teil eine verbotene, kurzzeitig Glück verheißende Beziehung mit der Parteigenossin Julia ein. Schließlich werden beide verraten, denn der dem inneren Parteizirkel angehörende O'Brian arbeitet keineswegs, wie Winston und Julia glauben, für eine geheime Widerstandsgruppe. Der dritte Teil von 1984, der vor allem von Smiths Folter und Umerziehung zu einem glücklichen Anhänger von Big Brother erzählt, ist allerdings, was den zweiten Aspekt betrifft, ein wenig verkürzt. Die grafische Umsetzung in Bilder, die den Gegensatz zwischen tristem Alltag und Allgegenwart der mächtigen, wohlhabenden Partei zeigen, ist sehr gelungen. Zudem gefällt der sparsame Einsatz von Farbe, der vor allem den Momenten des Ausbruchs aus einer trostlosen Gegenwart vorbehalten ist. Die Bilderzählung schafft einen anderen, neuen Zugang zu einem literarischen Werk, das auch nach 75 Jahren nichts von seiner Bedeutung und Aktualität verloren hat. Breit empfohlen.
Siegfried Schmidt
rezensiert für den Borromäusverein.

1984
nach George Orwell ; Jean-Christophe Derrien ; Zeichnungen: Rémi Torregrossa ; aus dem Französischen von Anja Kootz
Knesebeck (2021)
121 Seiten : teilweise farbig
fest geb.