Steinfrucht
Bron und Ray leben zusammen, aber ihre Beziehung ist nicht ohne Spannungen. Das liegt auch an ihrem familiären Hintergrund: Brons Eltern sind evangelikale Christen, die Homosexualität ablehnen. Und auch Amanda, Rays Schwester, sieht die Liebe der Frauen sehr kritisch. Die Tage, an denen das Paar auf Amandas kleine Tochter Nessie aufpasst, gehören zu den seltenen Glücksmomenten. Doch als Bron an einer Depression erkrankt, verlässt sie ihre Freundin und wagt einen Neustart bei ihrer Familie. So kompliziert diese Personenkonstellation auf den ersten Blick erscheint, so wenig Spektakuläres eröffnet sich bei genauer Lektüre dieser umfangreichen Graphic Novel. Dass man dieser schmerzvollen Liebesgeschichte beinahe unbeteiligt folgt, liegt an der spröden und wenig einnehmenden Umsetzung. Das formale Raster von vier Panels pro Seite könnte die Möglichkeit für ein sensibles Psychogramm der Figuren eröffnen. Aber diese haben einander (und auch den Leser/-innen) wenig zu sagen. So bleiben die Dialoge stumm, auch die Porträts entsagen sich einer lesbaren Mimik. Dabei wird man in der Eingangssequenz, die in dynamischen Bildern vom Spiel mit Nessie erzählt, neugierig - und schließlich vom belanglosen Fortgang der Story enttäuscht. Den großen Themen wie Depression, Coming-of-Age oder dem Scheitern einer Liebesbeziehung wird dieses Werk nicht gerecht.
Dominique Moldehn
rezensiert für den Borromäusverein.
Steinfrucht
Lee Lai ; Übersetzung aus dem Englischen von Henrieke Markert
avant-verlag (2021)
230 Seiten : farbig
fest geb.