Die Infantin trägt den Scheitel links
Das ist eine ungezähmte Geschichte, mit der die 1983 nahe Salzburg geborene Helena Adler da in die literarische Öffentlichkeit platzt. "Eine kratzbürstige Alice im Hinterland, die gelernt hat, sich zu wehren", so sagt sie selbst über ihre Heldin, die in einer Großfamilie auf dem Land aufwächst, umstellt von steinalten Urgroßeltern, einer wirren Großmutter und bigotten Mutter, einem trinkenden Jäger-Vater und garstigen Zwillingsschwestern. Ein böses Märchen also, das von der Vorschulzeit bis ins junge Erwachsenenalter reicht und davon erzählt, wie die Ich-Erzählerin sich mit ihren Träumen und Taten gegen die Zumutungen eines eigentlich unerträglichen Landlebens stemmt. Vom Kirchenglauben über Drogenkonsum bis zur Familienfehde und ersten Liebe, Festmähler und Stallarbeiten wird da kaum etwas ausgelassen, was einen Dorfroman ausmacht. Nur dass er unter umgekehrten Vorzeichen erzählt wird, als Anti-Idylle. Am Ende vertreiben die Schwestern die Oma vom Hof, der gewalttätige Vater sitzt im Gefängnis, die Mutter in der Nervenheilanstalt, die Erzählerin bekommt ein Kind. Eine Dorfgeschichte, die auf keine Kuhhaut geht.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Infantin trägt den Scheitel links
Helena Adler
Jung und Jung (2020)
183 Seiten
fest geb.