Joy
Wie schnell sich der Zeitgeist ändert, sieht man an dem 2012 erschienen Roman "Joy" des britischen Autors Jonathan Lee. Blackberries sind das wichtigste Arbeitsmittel der vielbeschäftigten Anwälte, es werden SMS verschickt und DVDs geschaut. Man merkt dem Roman außerdem an, dass er in einer Zeit vor der #MeToo-Bewegung geschrieben wurde. Er spielt nämlich in einer renommierten Londoner Anwaltskanzlei, in der die Objektifizierung von weiblichen Angestellten an der Tagesordnung zu sein scheint. Im Zentrum steht die erfolgreiche und äußerst attraktive Joy Stephens, die mit 33 Jahren zur Partnerin der Kanzlei ernannt werden soll. Der Roman beleuchtet die Ereignisse, die sich in den Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe abspielen. Denn während ihrer Rede stürzt Joy zwölf Meter in die Tiefe und erst im Laufe des Romans klärt sich auf, was dazu führte. In die Momentaufnahmen des Tages (aus der Sicht von Joy) sind Kapitel eingestreut, in denen vier unterschiedliche Personen aus ihrem Umfeld zu Wort kommen. Und hier zeigt sich die Brillanz des Autors aufs Vortrefflichste: Wie er es schafft, jeder Figur ihren eigenen, höchst angemessenen Ton zu verleihen und ihre Weltsicht darzulegen, ist wirklich großartig.
Franziska Knogl
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Joy
Jonathan Lee ; aus dem Englischen von Cornelia Holfelder-von der Tann
Diogenes (2024)
374 Seiten
fest geb.