Dazwischen: wir
"Es ordnet sich. Nicht alles, aber einiges. Ich bin die, die herkam. Und ich bin die, die hier ist. Die alte und die neue Madina: einfach ich." (S. 239) So schreibt die Ich-Erzählerin Madina, nachdem sie ein Jahr ihres Lebens in Tagebucheinträgen offenbart hat. Ein Jahr, in dem sie mit so einem klugen Statement ganz bei sich selbst angekommen zu sein scheint. Julya Rabinowitsch erzählt mit "Dazwischen: wir" die Geschichte der jungen Frau weiter, die in "Dazwischen: ich" (BP/mp 16/1039) gemeinsam mit ihrer Familie aus ihrem Heimatland in ein anderes Land geflohen ist und dort versucht anzukommen. Immer wieder blickt Madina auf die für sie nun veränderte Situation. Gemeinsam mit Mutter, Tante und kleinem Bruder lebt sie bei einer gleichaltrigen Freundin im Haus. Freut sich mit ihr über ausgelassene Momente des Jungseins, hat einen Freund, feiert Geburtstag. Indes erzählt sie auch sehr ehrlich von ihren Ängsten und Unsicherheiten, von ihrer Überforderung und ihrer Wut. Denn Madina trägt die Traumata des Krieges in sich, muss leider allzu oft als Vermittlerin zwischen ihrer depressiven Mutter und den Behörden agieren und mit der Sorge um den verschollenen Vater leben. Zudem werden fremdenfeindliche Parolen in der Kleinstadt gesprüht und auch Madina wird Opfer von Ausgrenzung und Rassismus. Bewundernswert mutig und trotzig tritt sie dem entgegen. Ungeheuer stark. Auch weil sie von einer Freundin und couragierten Mitbürger/-innen Solidarität erfährt. Rabinowitsch erzählt sehr klar und feinfühlig und macht deutlich, wie wichtig menschliches Handeln für unsere Gesellschaft ist. Auch unabhängig vom ersten Band zu lesen. Gehört in jeden Bestand. Für jugendliche Lesende und Erwachsene.
Anna Winkler-Benders
rezensiert für den Borromäusverein.
Dazwischen: wir
Julya Rabinowich
Hanser (2022)
254 Seiten : Illustrationen
kt.