Die Gemeinheit der Diebe

Smilja wächst in einem Dorf im kargen dalmatischen Hinterland auf. Sie nutzt die Chance, über das Anwerbeabkommen nach Deutschland zu gehen, um in einer Schokoladenfabrik bei Frankfurt zu arbeiten. Sie heiratet einen muslimischen Bosnier und bekommt Die Gemeinheit der Diebe ein Kind. Da der Partner wenig arbeitet, kann sie nicht zuhause bleiben und gibt deshalb ihren Sohn in eine deutsche Pflegefamilie. Nur am Wochenende ist Alem bei ihr. Das Kind lebt sich gut ein - wie in "das achte Kind" (BP/mp 21/421) beschrieben. Smilja wechselt mehrmals die Wohnung und auch den Arbeitsplatz und putzt sogar in ihrer freien Zeit. Ihr Traum ist ein Haus in der Heimat, dem sie alles nachordnet. Die Beziehung zu ihrem zweiten Partner, dem Serben Dusan, ist von dessen Gewaltausbrüchen geprägt, die sie geduldig erträgt, während der jugendliche Alem sehr darunter leidet. Selbst im Alter ist der inzwischen Verstorbene in ihrem Seelenleben gegenwärtig. Trotz der relativ wenigen Zeiten des Zusammenlebens hat Grabovac ein gutes Verhältnis zu seiner Mutter. - Der Autor schildert alles schnörkellos nüchtern und distanziert. So sagt er über das Anwerbeabkommen, dass dadurch Jugoslawien seine armen Bauern loswerden wollte. Er, der es mit Erfolg zu Studium und Schriftstellerkarriere brachte, verachtet in keinem Wort den Lebensweg seiner Mutter und trägt ihr das Weggeben nicht nach. Ursula März nannte Grabovac im Deutschlandfunk einen "wertfreien Chronisten in eigener Sache". Das sollte man erweitern: Er ist auch der Chronist einer Epoche in Deutschland, der den damaligen Gastarbeitern eine Stimme gibt.

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die Gemeinheit der Diebe

Die Gemeinheit der Diebe

Alem Grabovac
hanserblau (2024)

238 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 617987
ISBN 978-3-446-27938-4
9783446279384
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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