Nächstenliebe
Wie komplex das auf den ersten Blick so einfache Thema der Nächstenliebe ist, zeigt diese aus Vorlesungen an der Universität hervorgegangene Studie von Thomas Söding. Darin wird nicht nur Jesu Aufforderung zur Nächstenliebe in seinen Beziehungen zum Judentum und Alten Testament aufgedeckt, sondern auch mit den Vorstellungen von Liebe im antiken Umfeld des Neuen Testamentes verbunden. Doch auch innerhalb des Neuen Testamentes steht das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe, wie es Mt 22,34-40 und in den synoptischen Parallelstellen dazu zu finden ist, nicht isoliert da. Söding legt dar, wie sich dieses Gebot in den übrigen kanonischen Schriften mit oft ganz unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen - sie reichen von der Feindes- und Bruderliebe über Fragen der praktischen Verwirklichung bis zur sozialen Dimension - entfaltet. Zu den Vorzügen dieses Buches gehört aber auch, dass der Exeget Söding die Perspektive öffnet hin zu aktuellen moraltheologischen und sozialethischen Problemstellungen. Kann Jesu Gebot noch in einer Zeit bestehen, in der man z.B. vor allem auf strukturelle Veränderungen setzt? Södings Arbeit zeigt, dass das Gebot der Nächstenliebe unsere Anliegen heute durchaus zu integrieren vermag, darüber hinaus aber alle Gerechtigkeitsutopien in Richtung auf eine wahrhaft humane Gesellschaft kritisiert und korrigiert. - Für theologisch Interessierte.
Richard Niedermeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Nächstenliebe
Thomas Söding
Herder (2015)
423 S.
fest geb.