Gott ungezähmt

Unserer Kirche ist die Gottesfurcht verloren gegangen. Das ist der Ausgangspunkt von Johannes Hartls Buch. Gott sei bis zur Unkenntlichkeit verharmlost, zum lieben Gott gemacht worden, sodass ihn niemand mehr ernst nehmen könne. "Keine Angst mehr Gott ungezähmt vor dem lieben Gott, dem harmlosen repräsentativen Monarchen, der in die Gesetzgebung seines Landes ohnehin nicht eingreift. Doch was man nicht fürchten kann, das kann man auch nicht anbeten." Auf Grundlage biblischer, vor allem alttestamentlicher Gottesbilder erinnert Hartl an die Majestät Gottes, an die Notwendigkeit der Gottesfurcht und wirbt für die Rückkehr zu einem Gottesbild, das Gott ernst nehme und das zu seiner Verehrung geradezu zwinge. - Die Lektüre dieses Buches war anstrengend, obwohl Hartls Sprache geschliffen und mit vielen plastischen Bildern durchsetzt ist. Sie stellt das eigene Gottesbild infrage und ist schon deshalb eine Auseinandersetzung wert. Doch fehlen wichtige neutestamentliche Gottesbilder: der Hirte, der das eine verlorene Schaf sucht, der barmherzige Vater, überhaupt der nahe und nahbare Gott, der sich berühren lässt (die Sünderin mit dem Alabastergefäß, Maria Magdalena, Thomas ...). Und sollte nicht Joh. 14,9: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen." der Punkt sein, der das christliche Gottesbild bestimmt? Dann müsste weit mehr von Gott, der die Liebe ist, die Rede sein, von Liebe in ihrer radikalsten Form, die bereit ist, für alle Menschen in den Tod zu gehen, wie Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Deus caritas est schreibt. Ein Buch also, das sich nicht erbaulich weglesen lässt, sondern zur Auseinandersetzung zwingt. In größeren Beständen durchaus empfehlenswert.

Christoph Holzapfel

Christoph Holzapfel

rezensiert für den Borromäusverein.

Gott ungezähmt

Gott ungezähmt

Johannes Hartl
Herder (2016)

218 S.
fest geb.

MedienNr.: 585167
ISBN 978-3-451-34890-7
9783451348907
ca. 19,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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