Die fremde Spionin
Man schreibt das Jahr 1961, und der Kalte Krieg bestimmt die Weltpolitik. Die beiden Supermächte liefern sich Wettläufe in Raumfahrt und atomarer Aufrüstung. In der geteilten Stadt Berlin, wo viele im Osten leben und im Westen arbeiten und dort all das sehen, woran es ihnen mangelt, ist die Verlockung groß, einfach drüben zu bleiben. Die DDR-Staatsmacht sieht die wachsende Republikflucht mit Sorge, und der aufstrebende Partei-Funktionär Erich Honecker entwickelt einen Plan, dies endgültig zu unterbinden - durch eine Mauer. Der westdeutsche Bundesnachrichtendienst befürchtet, bald nicht mehr an interne Informationen aus dem Herzen der Staatsmacht zu kommen und rekrutiert Ria Nachtmann als Spionin. Die junge Sekretärin im Ministerium für Außenhandel ist eine perfekte Kandidatin für diesen Posten, denn sie hat ein immenses persönliches Interesse daran, der DDR zu schaden. Ihr Vater, ein ehemaliger Minister, wurde zehn Jahre zuvor von der Stasi verhaftet und ihre Familie auseinandergerissen. Die vom BND in Aussicht gestellte Wiedervereinigung mit ihrer Schwester ist ihr Anreiz genug, sich auf das lebensgefährliche Spiel im Weltkrieg der Informationen einzulassen. - Titus Müller belebt das Genre des Spionageromans neu und lässt dabei erfundene und reale Personen geschmeidig miteinander interagieren. Seine Jung-Spionin hat nicht nur einen Grund, ihr Land an den Klassenfeind zu verraten, sondern auch enormes Talent als Agentin und findet fast ein wenig Spaß an toten Briefkästen, Vorspielen falscher Gefühle und Hantieren mit den neuesten Gimmicks der Spionagetechnik. Doch die Stasi kommt ihr schnell auf die Schliche und zwingt sie zur Gegenspionage. Fortsetzung folgt … Wer die Romane von Titus Müller kennt (zul. "Die goldenen Jahre des Franz Tausend, BP/mp 20/676), weiß, dass es darin viel zu lernen gibt, und ein Blick auf sein Literaturverzeichnis lässt ahnen, wieviel Recherchearbeit diesem Roman zugrunde liegt, der allen Büchereien sehr zu empfehlen ist!
Susanne Steufmehl
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die fremde Spionin
Titus Müller
Wilhelm Heyne Verlag (2021)
398 Seiten
kt.