Späte Kinder

Sophia ist Mitte 40 und hat eine Krebsdiagnose erhalten, die ihr geordnetes Leben von einem Moment auf den anderen in Frage stellt. Als Hausfrau mit Mann und Kind lebt sie eigentlich überhaupt nicht so, wie sie möchte. Ihr Zwillingsbruder Thomas Späte Kinder hingegen hat andere Sorgen: Er arbeitet als freier Journalist, hat ständig wechselnde Freundinnen und Geldsorgen. Beide Geschwister treffen sich, um den Haushalt ihrer verstorbenen Mutter aufzulösen, und reflektieren dabei ihre Beziehung, ihre Prägung durch die Eltern und ihre jeweilige Sicht auf die Welt. Sophia möchte, dass Thomas das Sorgerecht für ihre Tochter Julika übernimmt, doch der sträubt sich zunächst. Bei einem gemeinsamen Urlaub auf Mallorca, als Sophias Krankheit schon weiter fortgeschritten ist, kommt es zu einem Streit, der vor allem Thomas erschüttert und nachhaltig verändert. Schließlich begleitet er Sophia bei ihren letzten Tagen im Hospiz und beginnt, sich selbst und seinem Leben eine neue Richtung zu geben … Der Roman von Anselm Neft ist außerordentlich ehrlich und erzählt abwechselnd aus der Perspektive der Geschwister von Liebe und Leid, von Entfremdung, Verbundenheit, Fehlern und persönlichen Entscheidungen. Neft hat einen klaren Blick für die Sinnfragen des Lebens, für biografische Wendepunkte und die existenzielle Erschütterung durch den Tod. Sein Buch ist frei von Kitsch und Pathos und hält gewissen Strömungen in der intellektuellen Gegenwartskultur den Spiegel vor. Eine kluge, herausfordernde und zugleich empfindsame Lektüre, die vom Stil her mit den Büchern Juli Zehs vergleichbar ist.

Vanessa Görtz-Meiners

Vanessa Görtz-Meiners

rezensiert für den Borromäusverein.

Späte Kinder

Späte Kinder

Anselm Neft
Rowohlt Hundert Augen (2022)

287 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 609087
ISBN 978-3-498-00237-4
9783498002374
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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Auszeichnung: Roman des Monats