Stern 111
Schauplatz von Lutz Seilers Roman "Stern 111", der dieses Jahr den Preis der Leipziger Buchmesse erhielt, ist der Prenzlauer Berg, genauer gesagt, die Straßenzüge zwischen der Ryke- und Oranienburgerstraße in Ostberlin. Geschildert wird das Leben während der zeithistorisch ereignisreichen Jahre 1989/90 in einem Viertel, das während der letzten Tage der DDR als Zentrum der politisch-intellektuellen Opposition gelten kann und sich nach dem Mauerfall schnell zum Trend- und Szeneviertel entwickelte. In dieses Milieu gerät Carl aus Gera. Er schließt sich einer Gruppe von Hausbesetzern an, verdingt sich in der Kellerbar "Assel" als Kellner, trifft eine alte Freundin wieder, in die er bereits seit Schulzeiten verliebt ist, und entwickelt sich dabei zu einem Lyriker, der die Welt, die er wahrnimmt, immer öfter in Sprache verwandelt. Die zweite Geschichte, die der Roman erzählt, ist die von Carls Eltern, die 1989 in die BRD flüchten, im Großraum Frankfurt erste Erfahrungen mit dem Westen machen und schließlich in die USA auswandern, womit sie sich einen alten Jugendtraum erfüllen. - "Stern 111" ist nicht nur ein zeithistorischer Wende-Roman mit viel Lokalkolorit und Atmosphäre. Er ist auch eine Geschichte von Aufbruch und Ankommen sowie der Erfüllung lebenslanger Sehnsüchte. Er ist ein Künstler- und Entwicklungsroman und nebenbei das liebevolle Porträt einer intensiven Eltern-Sohn-Beziehung.
Antonie Magen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Stern 111
Lutz Seiler
Suhrkamp (2021)
suhrkamp taschenbuch ; 5130
521 Seiten
kt.