Das Singen der Sirenen
Literaturwissenschaftler Jörg Krippen erfährt bei einem London-Aufenthalt, dass er mit einer indisch-stämmigen Regisseurin einen Sohn hat. Der sich so anders verhält, als Krippen von einem Sohn erwartet, vor allem wenn er ihn mit seinem Sohn Leon in Berlin vergleicht. Leon aber, so muss er dank der Stammzellenforscherin Mae feststellen, ist nicht sein leiblicher Sohn. Mit Mae geht Krippen eine Beziehung ein, die ihn sogar in die USA führt; letztlich kehrt er aber nach Berlin zurück, beendet jedoch die Ehe mit Sabrina, mit der er sein Leben seit seinen Zeiten als Hausbesetzer teilte. Der Verlagstext zu diesem Roman stellt die Liebesgeschichte absolut in den Vordergrund. Sicher, sie bewegt den Protagonisten, viel stärker wird er aber emotional von seinen Söhnen und ihrem so unterschiedlichen Verhalten berührt. Eine weitere Schicht des Romans sind die Schlaglichter auf die linke Szene in Berlin samt "Glatzen klatschen"; Mae hat die Stadt etwa zur selben Zeit ganz anders im bürgerlichen Frohnau erlebt. - Ein allwissender Erzähler bereitet dem Leser die Geschichte mit Vor- und Rückgriffen auf. Wildenhain bedient sich dabei einer komplexen Satzstruktur mit vielen Einschüben und Parenthesen und teilweise eher altertümlichen Wörtern, die als Stilbruch gegenüber dem eigenen Herkommen und dem identischen seines Protagonisten sofort aufmerken lassen. Gleichwohl erzeugt er damit ein Abbild realer komplexer Denkmuster. Für literarisch Interessierte zu empfehlen.
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Das Singen der Sirenen
Michael Wildenhain
Klett-Cotta (2017)
318 S.
fest geb.