Propofol

Bernard Rohr ist Chefchirurg an einer Berliner Kinderklinik. Mit Mitte sechzig soll er ein zweijähriges Siamesisches Zwillingspaar trennen; die Chance zur Krönung seines Berufslebens, wie er meint. Vorher tritt die Ethikkommission zusammen, die unter Propofol anderem entscheiden soll, ob man ein Leben opfern darf, um das andere zu retten. - Autorin Corinna T. Sievers lässt die Geschichte von ihrem Protagonisten selbst erzählen. In seiner Beschreibung der medizinischen Seite geht er nüchtern vor und benutzt Fachbegriffe. Doch von Anfang an zeigt er der Leserschaft auch seine lüsterne Seite und benutzt dafür pornografische Bilder und eine grobe Sprache. Den Stress im Operationssaal hält er nur mit einer exakt bemessenen Dosis Propofol, einem starken Narkosemittel, aus. Mit seinem radikalen Narzissmus und seiner Misogynie erinnert er an Patrick Bateman aus „American Psycho“. - Die Autorin provoziert, schafft es aber, ihre Leser/-innen zwischen dem Abscheu gegenüber den redundanten frauenverachtenden Sprüchen und dem Interesse an der möglichen Trennung der Siamesischen Zwillinge bei der Stange zu halten, auch wegen der gehörigen Portion schwarzen Humors. Und letztendlich ist der Roman über diesen abgehalfterten Halbgott in Weiß der Abgesang auf einen bestimmten Typ Mann.

Karin Blank

Karin Blank

rezensiert für den Borromäusverein.

Propofol

Propofol

Corinna T. Sievers
Frankfurter Verlagsanstalt (2022)

253 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 610988
ISBN 978-3-627-00303-6
9783627003036
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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