Im Schatten der Mohnblüte
Der ukrainische Wissenschaftler Jarosch forscht über alte Völker und Sprachen und entdeckt ein "arkanisches Totenbuch", das er übersetzt. Er geht den Spuren des multikulturellen Lemberg nach, die er in dem Manuskript des alten jüdischen Geigers Josip findet, der im berüchtigten Janowska-Lager den "Todestango" gespielt hat. Die Geschichte des Juden, der als einziger den Krieg überlebt hat, und die seiner Freunde, eines Polen, eines Deutschen und eines Ukrainers, ist in die Rahmenerzählung eingefügt. So ergibt sich ein Bild der Stadt Lemberg von den 1920er Jahren bis heute. Die vier Freunde werden bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu antisowjetischen Partisanen. Sie erleben das Grauen der 1939 in Lemberg einziehenden Roten Armee, im Buch als "sogenannte Befreiung" mit beißender Ironie geschildert. - Die beiden zeitlichen Ebenen sind am Anfang der Kapitel mit Ziffern bzw. Buchstaben gekennzeichnet. Der ukrainische Autor thematisiert den Unabhängigkeitskampf seines Volkes und beschreibt humorvoll den Alltag einer Stadt, in der sich religiöse, philosophische und kulinarische Traditionen mischen. Er verbindet historisch Verbürgtes mit Phantastik, beschreibt bilderreich Episoden einer kulturell und politisch bewegten Vergangenheit. Leider wurde der Originaltitel "Todestango" nicht übernommen, der ein Leitmotiv des Romans ist. Ein großartiges Epos für geduldige Leser, die das aktuell kriegsgeschüttelte Land kennenlernen wollen. (Übers.: Alexander Kratochvil)
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Im Schatten der Mohnblüte
Jurij Wynnytschuk
Haymon (2014)
455 S.
fest geb.