12 Grad unter Null
Die junge Autorin Anna Herzig erzählt parallel zwei Geschichten, die eng miteinander zu tun haben und am Ende zueinanderführen. In beiden geht es um die zwei Schwestern Greta und Elise. Sie verleben eine völlig ungleiche Kinderzeit (diese bildet den einen Erzählstrang): Greta - und auch ihre Mutter - wird von ihrem Vater verachtet, ausgenutzt, erniedrigt und vielleicht auch missbraucht (was nicht erzählt wird); Elise, vom Vater geliebt und der anderen Tochter ständig vorgezogen, hat keinerlei Sorgen. Im zweiten Erzählstrang geht es um eine nahe Zukunft ab dem 1.1. 2024. Zu diesem Zeitpunkt tritt in Sandburg (einem fiktiven Ort) ein neues Gesetz in Kraft, das es den Männern erlaubt, alle Gelder aus ihren Beziehungen mit Frauen zurückzufordern; sollten diese nicht bezahlen, erfolgt eine völlige gesellschaftliche Ächtung. Greta, inzwischen verheiratet und schwanger, wird zu einem der ersten Opfer, da ihr Mann, obwohl er bald Vater wird, viel Geld von ihr zurückverlangt. Greta sucht daraufhin Hilfe bei ihrer Schwester. - Anna Herzig beschreibt das Schicksal vieler Frauen in unserer jetzigen Zeit, indem sie Situationen in hyperbolischer, überzogener Weise in künftiger Zeit erzählt - vielleicht aber auch deutlich näher an der Realität als vordergründig gedacht. Ein kleiner Roman, der sehr zum Nachdenken anregt und auch von Männern gelesen werden sollte.
Wilfried Funke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
12 Grad unter Null
Anna Herzig
Haymon Verlag (2023)
142 Seiten
fest geb.