Tewje, der Milchmann
Tewje "der Milchiger" ist v.a. bekannt durch das Musical 'Anatewka'. In diesem Roman in neuer Übersetzung von Armin Eidherr entsteht lange nach ihrem Untergang nochmals die Welt des osteuropäischen jiddischen Stetls. Eingebettet in eine unendliche Zahl von frommen Floskeln, oft veränderten und verballhornten bis sinnentleerten Bibel- und Talmudzitaten "erzählt" der Kleinhändler von den glücklichen und missgünstigen Momenten in seinem Leben, besonders wie es zuging, als er seine sieben Töchter verheiratete. Kennzeichnend ist der ausufernde Sprachstil - mit all den Einschüben des mündlichen Gesprächs. Tewje verzwirbelt sich oft in seinen Gedankengängen, bis nach zig Umwegen dem Leser der Fortgang wieder klar wird. - Der Autor gehört zu der Gruppe von Schriftstellern des 19. Jh. im Zarenreich, die es wagten, in der Sprache einer Minderheit zu schreiben. Selbst gut ausgebildet, sieht Scholem Alejchem selber Tewjes kleine Welt in den Ortschaften um Kiew schon ein wenig als anachronistisch an. Trotz des umfangreichen Glossars und der Erläuterungen durch den Übersetzer setzt die genussvolle Lektüre gute Kenntnisse der jiddisch-orthodoxen Denk- und Lebensweise voraus. - Für literarisch Interessierte.
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Tewje, der Milchmann
Scholem Alejchem
Manesse-Verl. (2016)
276 S.
fest geb.