weg
Man fragt sich, warum "weg" ein so merkwürdig berührendes Buch ist. Doris Knecht hat über einen Fall von Psychose geschrieben, die durch Drogenkonsum hervorgerufen wurde. Dabei geraten die neuronalen Netzwerke plötzlich aus der Ordnung und produzieren eine zweite Welt, in der sich Wahrnehmung, Emotionalität, Kognitionen, Selbstbild und soziale Interaktion des Betroffenen komplett verändern. Doch die Autorin erzählt nicht aus dieser Sicht. Ihre Hauptfiguren sind die Eltern, die sich auf die Suche nach ihrer in Vietnam und Kambodscha verschollenen kranken Tochter Charlotte begeben. Beide sind getrennt voneinander, Georg führt einen Landgasthof in Österreich, Heidi lebt in einer hessischen Kleinbürgeridylle. Die Suche führt beide an die Grenzen ihrer elterlichen Verantwortung und Fürsorgepflicht, zwischendurch werden Bruchstücke aus Charlottes Leben zusammengetragen. Die sozialen Medien spielen mit und die Angst vor Fremdem. Vielleicht ist es aber auch der eigenwillige, fast beschwörende Sound der Sprache, mit der Doris Knecht von einem Familiendesaster erzählt. Zu empfehlen, aber kein leichter Tobak.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
weg
Doris Knecht
Rowohlt Berlin (2019)
300 S.
fest geb.