Fliegen
Eine namenlose Frau reist rund um die Uhr mit dem Zug durch Deutschland. Man gewinnt Einblicke in ihr Leben: Beziehungen, die in die Brüche gingen, Freundschaften, die bestehen, aber punktuell und (von einer Freundin abgesehen) eher oberflächlich bleiben oder Verlust von Arbeit und Wohnung. Die schmale Rente reicht für eine Bahncard 100 und das (Über-)Leben. Das unauffällige Sammeln von Pfandflaschen und Essenseinladungen von regelmäßigen Bekannten beim Bahnfahren kennzeichnen ihr gleichförmiges Leben ("Fliegen"), das unterbrochen wird durch die Lektüre liegen gebliebener Zeitungen. Titeln aus Bücherschränken und dem "Gelben Buch" mit romantischen Gedichten. Irgendwann ist das Leben auf "festem Grund" nicht mehr vorstellbar und die Frau trotzt dem Leben, an dem man der ungewöhnlichen Perspektive wegen Anteil nimmt. Die verstümmelten Sätze, mit denen Selge die Gedanken der Frau in Worte zu fassen sucht, sind gewöhnungsbedürftig. Größeren Büchereien gerne empfohlen.
Michael Müller
rezensiert für den Borromäusverein.
Fliegen
Albrecht Selge
Rowohlt Berlin (2019)
171 S.
fest geb.