Die trunkene Fahrt
Vier Männer in einem klapprigen Fiat Panda sind unterwegs durch die Südtiroler Alpen: Musikkritiker Doktor Zwantulla, Pianist Perger (gerühmter Lisztspezialist) und Hibiscus, der Sohn ihres gemeinsamen Freundes, des Kompositionsprofessors Kumm. Zu ihrem Fahrer hat dieser Paul Gasser auserkoren, einen ortskundigen einbeinigen Altphilologen mit Hang zum Alkohol. Gasser führt sie auf ihrer Tagestour zu zahllosen Gaststätten und Festen, "in denen man das wahre Leben der Bevölkerung kennenlernt". Sie essen und trinken sich durch diverse Lokalspezialitäten, Pflaumen- und Zirbenschnäpse inklusive. Es ist eng im gurtlosen Auto, die Kurven schütteln sie ordentlich durcheinander. Gequalmt wird wie ein Räucherofen und die Gespräche, gewürzt mit deftigen Anekdoten in südtiroler Dialekt, kreisen um Details aus Musik, Philosophie und Literatur. - Anfangs unbemerkt, wird der Druck im Verlauf des Romans immer kleiner, was sich in der zweiten Hälfte beschleunigt, bis sich die Schriftzeichen auf der letzten Seite im Unleserlichen verlieren, möglicherweise dem Einschlafen von Zwantulla geschuldet, auf dessen Perspektive zeitweise der Fokus des Erzählten liegt. - Albrecht Selge (geb. 1975) wurde 2011 für seinen ersten Roman "Wach" von der Presse hochgelobt. Sein neuer Roman ist ein wahrer Spaß für bildungsbürgerlich angehauchte Leser.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Die trunkene Fahrt
Albrecht Selge
Rowohlt Berlin (2016)
281 S.
fest geb.