In einer Nacht ein ganzes Leben
Eine alte Kommode mit neun bunten Schubladen - darin findet die Protagonistin neun Briefe ihrer Großmutter "Abuela", in denen sie der Enkelin ihr Leben erzählt. Ein Leben als Flüchtling aus dem spanischen Bürgerkrieg. Gemeinsam mit ihren beiden Schwestern wurde Abuela in den 1940er Jahren von den Eltern nach Frankreich geschickt, um vor den Franquisten, die die republikanischen Eltern suchten, in Sicherheit zu sein. Die drei Mädchen, 6, 10 und 16 Jahre alt, werden in der spanischen Kolonie von Narbonne aufgenommen, lernen ohne Eltern zurechtzukommen und zu arbeiten. Die Älteste, Leonor sorgt dafür, dass sie sich anpassen. Doch nach deren Heirat fühlt sich die temperamentvolle Abuela verloren, ist wütend auf die Demütigung der Flüchtlinge und beschließt, Französin zu werden. Allein fährt sie nach Toulouse und trifft dort ihre große Liebe Rafael, auch ein Exilspanier und Franco-Gegner. Die beiden heiraten und bekommen eine Tochter. Doch dann kommt Rafael bei einer Widerstandsaktion gegen die Franquisten ums Leben und die junge Witwe beschließt, ein unkonventionelles Leben zwischen ihrer spanischen und ihrer französischen Familie zu führen. Ihr Anderssein in französischer Umgebung beschreibt sie so: "Vielleicht ist es das, was in uns von Spanien noch geblieben ist, dieses Bedürfnis nach Leben um uns herum ... nach Geselligkeit, nach Miteinander". Die Geschichte der Enkelin und Protagonistin in der Rahmenerzählung endet dann mit einer Eloge auf starke Frauen. Ein warmherziges Buch, verbunden mit persönlichen Geschichten aus dem spanischen Bürgerkrieg. Allen Büchereien sehr empfohlen.
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
In einer Nacht ein ganzes Leben
Olivia Ruiz ; aus dem Französischen von Corinna Rodewald
HarperCollins (2021)
186 Seiten
fest geb.