Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche

Das Buch des Liturgiewissenschaftlers Guido Fuchs ist ein kleiner Trost für heutige Kirchenbesucher, die sich über unangemessenes Verhalten, Respektlosigkeit, vermeintliche oder tatsächliche Ungezogenheiten im Gotteshaus und Gottesdienst beklagen. Denn das hat eine lange Tradition, wie Fuchs an vielen Beispielen belegt. Dabei lässt sich von einer Ökumene des schlechten Benehmens in der Kirche sprechen. Da klagt der Pastor von Zellerfeld, dass seine Kirche zur Christnacht wie eine Schnapsbrennerei stinke und des Schwätzens und Krakeelens so viel sei, dass der Prediger auf der Kanzel verstumme. Die Churpfalzbaierische Landesregierung muss 1795 ausdrücklich die Mitnahme von Hunden in Gottesdiensten verbieten, während in der Münchner Peterskirche die Köchinnen zur Frühmesse frisch eingekaufte Hühner, Tauben oder sogar Ferkel dabeihaben. In Paris-Saint Maur bekamen Pilger von Händlern in der Kirche lautstark einen Kräutertrank angeboten. Die Wallfahrer in Chartres konnten sich in der Krypta dagegen ein Glas Wein bestellen. Harmlos nimmt sich dagegen die Klage über Frauen aus, die während der Predigt stricken. Das liest sich amüsant, Fuchs ordnet die historischen Anekdoten aber auch ernsthaft ein. Das Verhalten in der Kirche spiegelt Haltungen gegenüber dem Ritus wider, der besonders in früheren Zeiten die Gemeinde kaum beteiligte. Heute wie damals ist und war unangemessenes Verhalten in der Kirche zudem die Reaktion auf schlecht vorbereitete, langweilige oder lieblos gehaltene Gottesdienste. Damit regt das Buch Gläubige wie Liturgen an, darüber nachzudenken, wie sie selbst zur heiligen Handlung und Andacht stehen. - Ein flott und unterhaltsam zu lesendes Sachbuch, das gleichzeitig tiefgründige Fragen stellt.