Die Kuh ist ein einsames Tier
Der heute in Kanada lebende Serbe David Albahari (zul. "Ludwig", s. BP/mp 10/368) veröffentlichte zwischen 1978 und 2008 zahlreiche Geschichten, die sich neben bisher noch unveröffentlichten Texten in diesem Buch wiederfinden. Trotz der großen Zeitspanne wirkt das Buch insgesamt sehr homogen. Es ist immer die gleiche, kraftvolle, kritische Stimme, die aus den Geschichten spricht. Das Buch lädt zum Blättern und Verweilen, zum Staunen und Erschrecken ein. Die Texte sind nie einfach nur erbaulich, sondern verbergen hinter Schilderungen eines gewöhnlichen Alltags zumeist gefährliche Untiefen. Hinter lapidaren Sätzen verbirgt sich Brisantes, hochdramatische Szenen zerplatzen aber auch mal wie Seifenblasen. Die kürzeste Erzählung "Einsamkeit" besteht aus nur einem Satz mit sieben Worten: "Manchmal, beim Gehen, begleiten einen viele Tiere". Die längsten Erzählungen umfassen höchstens eineinhalb Seiten, wie u.a. "Der Angeklagte", "Die Kuh ist ein einsames Tier" oder "Die Schönheit des Satzes". Albahari schreibt über Menschen verschiedener Berufsgruppen, häufig Schriftsteller, wie über Robert Walser, Peter Handke und über sich selbst. Eindeutig gehört Franz Kafka zu den Vorbildern Albaharis. Neben den Menschen, die Rätselhaftem und Bedrohlichem hilflos ausgeliefert sind, leiden auch die Tiere, wie Hunde, Katzen und Vögel unter beängstigenden Erlebnissen. Die inspirierenden, absichtlich irritierenden Erzählungen sind Lesern zu empfehlen, die wie David Albahari zu Sprachskeptikern gehören, und jedes Wort eines Textes, jede Silbe auf verborgene Hohlräume abklopfen. Für anspruchsvolle Leser/innen. (Übers.: Mirjana u. Klaus Wittmann)
Birgit Fromme
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Kuh ist ein einsames Tier
David Albahari
Eichborn (2011)
143 S.
fest geb.