Das Fremde Meer
Das Leben schreibt unerbittlich die Geschichte von Marie und Jan - zwei unterschiedliche, durch ihre Kindheit geprägte Charaktere. Sie, die dem Leben misstrauende, burschikose und unsichere Frau, trifft auf den zurückhaltenden, sensiblen und beliebten Künstler, woraufhin sich langsam eine Liebe entwickelt, in der sich zögerlich beide öffnen und sich schließlich miteinander ein Leben einrichten, in dem sie sich zu Hause fühlen können. Ein Fahrradunfall, bei dem Jan verunglückt und ins Koma fällt, reißt ein Loch in die Biographie, mit dem die junge Frau verzweifelt versucht umzugehen. Diese Kerngeschichte erschließt sich dem Leser allerdings erst mit der Lektüre der letzten Seiten. Der in zehn einzelne Geschichten unterteilte Roman ist nun die psychologische Aufarbeitung dieses tragischen Ereignisses und der Versuch, Perspektiven, Therapie, Verzweiflung und Hoffnung literarisch zu bündeln. Katharina Hartwell tut dies, indem sie Erzählungen unterschiedlichster Genres verfasst. So begegnen die beiden Protagonisten dem Leser als Märchenfiguren, in Science fiction, surrealen und skurrilen Verwebungen, unterbrochen von realistisch Erzähltem, das den roten Faden auf dem Weg von Marie und Jan weist. Da sich das Gesamtkonzept erst am Schluss erschließt, ist der Roman eine Herausforderung, das Lesen ein intensives Erlebnis, das letztlich die schonungslose Konfrontation mit der Wirklichkeit nicht scheut. - Ein ungewöhnliches, besonderes Buch.
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Das Fremde Meer
Katharina Hartwell
Berlin-Verl. (2013)
567 S.
fest geb.