Franziska zu Reventlow
Diesem Buch gelingt es, Franziska zu Reventlow aus dem Schatten der Literaturgeschichte herauszuholen. Anders als vorhergehende Romanbiografien und Lebensbeschreibungen setzt die Journalistin und Philosophin Kerstin Decker auf eine Lebenserzählung mit Witz, Ironie und Eros. Und das passt gut. Franziska zu Reventlow (1871-1918) stand quer zu den Turbulenzen und Trends ihrer Zeit, weil sie zu stark "Ich" sagte. "Angekaisert" (ihr Wort!) vom Untertanenstaat Wilhelms II. wurde die unzähmbare Comtesse früh von ihren Eltern verstoßen. In der Schwabinger Bohème fand sie Anschluss an die Kosmiker um George. Sie hatte viele Liebschaften und lebte sie aus, zeitweise auch im Bordell, sie kämpfte um ihren Roman-Erstling, sie verlor ein Kind, nahm einen Raben in ihre Wohngemeinschaft mit zwei Männern, inspirierte andere Autoren (Wolfskehl, Klages, Rilke, sogar Thomas Mann, der sie nicht ganz gerecht in seiner Novelle "Beim Propheten" illustrierte). Ein tragikomisches Leben einer unanpassbaren, mutigen, ihre Freiheit und "Uneinsamkeit" (wieder ihr Wort) liebenden Frau, spannend erzählt, abseits von Emanzipationsverherrlichung oder Erhöhung zur Außenseiterin. Sehr empfehlenswert.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Franziska zu Reventlow
Kerstin Decker
Berlin-Verl. (2018)
378 S.
fest geb.