Herzland

Simon Winder, der bereits mit zwei Büchern die Geschichte Mitteleuropas ("Germany, oh Germany" (BP/mp 10/576) und "Kaisers Rumpelkammer", Besprechung nur online) außergewöhnlich und faszinierend beleuchtet hat, begibt sich nun auf eine Reise durch Herzland das alte Lotharingien, das Gebiet zwischen Frankreich und Deutschland, das durch die Aufteilung des Frankenreiches nach dem Tod Karls d. Gr. (843 Vertrag von Verdun) entstand und seitdem politisch, wirtschaftlich und kulturell immer wieder neu geteilt und zugeordnet wurde. Heute umfasst es die Niederlande, Belgien, deutsche Gebiete links und z.T. rechts des Rheins, Lothringen, Elsass, Burgund und Gebiete der nordwestlichen Schweiz. Der Autor will die Relikte der Vergangenheit - seien es Bauwerke, Denkmäler, Gemälde oder archäologische Fundstücke - nicht als wissenschaftliche Forschungsobjekte darstellen, sondern als Botschaften von Ereignissen und Situationen, die uns auch heute noch etwas sagen. Winder lässt sie lebendig werden, spürt Trauer und Freude, Aufbegehren und Machtlosigkeit, Kampf und Niederlage, Mystik und Glauben nach. Damit hinterfragt er die gängige Praxis, das Jetzt und Heute als einzigen Maßstab für eine vernünftige Ordnung zu nehmen und das Vergangene abwertend bzw. mitleidig zu betrachten. Ironisch, humorvoll, in lockerer Aufbereitung erzählt der Autor z.B. von Hildegard von Bingen als der "Ikone des New Age-Heilens" oder von den Zünften und Gilden - von Historikern oft als Fortschrittsbremser getadelt -, durch die das Leben in den Städten pulsierte und die Altarbilder stifteten, aus denen wir heute ihren Alltag ablesen können. - Allen Beständen sehr zu empfehlen!

Inge Hagen

Inge Hagen

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Herzland

Herzland

Simon Winder ; aus dem Englischen von Nathalie Lemmens
Siedler (2020)

559 Seiten : Illustrationen, Karten
fest geb.

MedienNr.: 960449
ISBN 978-3-8275-0089-2
9783827500892
ca. 28,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Ge
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