Er ist wieder da

"Wo sich Literatur und Film der Geschichte nur bedienen, sie sozusagen kannibalisieren, da verkommt sie zum Kitsch" (Ruth Klüger). Vom Kitschverdacht in diesem Sinne ist Timur Vermes' Roman "Er ist wieder da" nicht freizusprechen. Das Buch erfindet Er ist wieder da ein Wiedererwachen Hitlers im Deutschland des Jahres 2011, mitten in Berlin. Der Diktator hat offenbar die vielen Jahrzehnte nach 1945 schadlos und unbelehrt überstanden. In benzingetränkter Soldatenuniform geht er ausgerechnet zu einem Kiosk, einem Zentrum der Medienwelt. Nicht lange, und er wird zum umstrittenen Mittelpunkt einer Fernsehshow, bekommt ein Büro, eine Sekretärin. Dort kann er nach Herzenslust schwadronieren. In München wird er am Ende dieser trostlosen Geschichte zusammengeschlagen, eine mögliche Opfergeschichte für Politiker, die ihn im Krankenhaus anrufen. In die abstruse Handlung wird alles hineingepackt, was nur geht, Medienkritik, Politsatire, Geschichtszynismus, die Frage, ob man nicht nur über, sondern auch mit einem fiktiven Hitler lachen darf. Was herauskommt, ist indessen mager. Eine Wiedergängergeschichte ohne künstlerischen Möglichkeitssinn (anders als in den Büchern von Dieter Kühn, "Hitlers Schutzengel", oder Eric-Emmanuel Schmitt, "Adolf H. Zwei Leben"), kein Denkspiel, sondern eine sämige Dokusoap, in der Geschichte leichthin an bizarre Pointen verfüttert wird. Für gute Literatur ist das zu wenig.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Er ist wieder da

Er ist wieder da

Timur Vermes
Eichborn (2012)

396 S.
fest geb.

MedienNr.: 572553
ISBN 978-3-8479-0517-2
9783847905172
ca. 19,33 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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