Der dunkle Sog des Meeres
Catherine wurde von ihrer Mutter als Säugling dem Ehepaar Day anvertraut. Nun ist Catherine 33 Jahre alt und will ihre Mutter Marie treffen, die, wie sie erfahren konnte, immer wieder Mal in Gaspe auftaucht, einem Dorf im Golf des St. Lorenz Stromes. Doch die Dörfler geben auf Fragen nur unwillig, ausweichend, wenn überhaupt, Antwort. Und es gibt sehr unterschiedliche Ansichten über die Wahrheit. Am Morgen der Ankunft von Catherine hat ein Fischer in seinem Netz die Leiche einer Frau gefunden. Wie sich bald herausstellt ist es Marie. Über die Umstände ihres Todes gibt es verschiedene Versionen. Ihr im Golf ankerndes Boot wurde offenbar vor dem Auffinden durch einen Fischer schon von jemand anderem betreten. Der gerade eingetroffene neue Ermittler, Sergeant Joaquin Morales aus Quebec, gebürtiger Mexikaner, findet sich in diesem neuen Umfeld nur schwer zurecht. Die Chefin von Morales überträgt ihm nur zu gerne die Untersuchung, will sie doch selbst keinesfalls in alten Begebenheiten bohren. Catherine erfährt irgendwann von Morales, dass ihre Mutter wohl bei einem Streit getötet worden sein könnte, was sich aber nicht beweisen ließe. Catherine bringt das Boot mit Hilfe einiger Schiffer auf Vordermann und sticht selbst in See. - Die mit diversen Preisen ausgezeichnete Autorin zeichnet Porträts von Menschen, die ihre Träume zumeist nicht zu verwirklichen vermochten. Das Meer ist weitgehend leergefischt; eine Kartonagenfabrik hat dicht gemacht. Das Leben ist schwer; Fragen nach alten Vergehen, menschlichen Tragödien sind unwillkommen. Beschreibungen der Stimmungen auf See, die Charakterisierung der zahlreichen Protagonisten - das ist bestens gelungen. Trotz Leiche und Ermittler - ein Krimi im herkömmlichen Sinne ist es nicht. Sollte gut einsetzbar sein.
Erwin Wieser
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der dunkle Sog des Meeres
Roxanne Bouchard ; aus dem Französischen von Frank Weigand
Atrium Verlag (2021)
333 Seiten
fest geb.