Solange wir schwimmen

Solange sie unbehelligt in ihrem unterirdischen Schwimmbad ihre Bahnen ziehen und somit den Alltäglichkeiten der Welt oben für kurze Zeit entkommen können, ist alles gut. Sie sind eine kleine Gemeinschaft aus unterschiedlichen Menschen, Berufen Solange wir schwimmen und Herkünften. „Das Schwimmbad ist ihr Allerheiligstes, ihr Refugium, der einzige Ort auf Erden, wo sie ihrem Schmerz entkommen können, denn nur dort unten, im Wasser, finden ihre Symptome Linderung.“ Auch die ältere Alice ist seit vielen Jahren dabei und schwimmt stoisch ihre Runden, ganz im Einklang mit der Schwimmbadetikette. Als eines Tages ein Riss, der sich immer weiter ausbreitet, am Beckengrund erscheint, muss das Bad, ihr Zufluchtsort, über kurz oder lang aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Und auch bei Alice wird die zunehmende Demenz, wie Risse in der Erinnerung, immer deutlicher, bis ihre Familie sie in einem Pflegeheim unterbringen muss. Während Alice ihre Welt und Erinnerungen immer mehr abhandenkommen, versucht die Tochter eine ungeschönte Beschreibung des Lebens ihrer Mutter und ihrer wohl letzten Station im Pflegeheim. – Schonungslos, mit schwarzem Humor und doch mit viel Einfühlungsvermögen beschreibt die Tochter in kurzen, prägnanten Sätzen den Ist-Zustand und die Vergangenheit. „Liebe und Verlust, Trauer und Erinnerung, Mütter und Töchter und die große Frage, was wir unseren Eltern schuldig sind“ – sind die Themen, die die New Yorker Autorin in ihrem kleinen Bändchen realitätsnah und eindringlich verpackt. Ein außergewöhnliches Buch, in dem sich pflegende Angehörige der Kindergeneration sicherlich gut wiederfinden können. Sehr empfehlenswert.

Karin Steinfeld-Bartelt

Karin Steinfeld-Bartelt

rezensiert für den Borromäusverein.

Solange wir schwimmen

Solange wir schwimmen

Julie Otsuka ; aus dem amerikanischen Englisch von Katja Scholtz
mare (2023)

157 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 752175
ISBN 978-3-86648-691-1
9783866486911
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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Auszeichnung: Roman des Monats