Besichtigung eines Unglücks
Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs ereignet sich in Genthin in Sachsen-Anhalt ein tragischer Zugunfall, bei dem fast zweihundert Menschen ihr Leben verlieren. Jahrzehnte später weckt das in Vergessenheit geratene Unglück das Interesse eines Reisejournalisten, der selbst in Genthin geboren ist und dessen Mutter 1939 im dortigen Kaufhaus gearbeitet hat. Was mit einer Recherche über die Unfallursache beginnt, konzentriert sich schnell auf das Schicksal einer jungen Frau, die in Begleitung eines italienischen Geschäftsmanns in einem der kollidierten Züge auf dem Weg zu ihrem von den Nazis verfolgten, jüdischen Verlobten war. Anhand von Briefen und Zeitzeugenberichten versucht der Ich-Erzähler, der selbst in eine Dreiecksaffäre verwickelt ist, die Beziehungen zwischen den Dreien zu rekonstruieren. Die Besuche in seiner alten Heimatstadt locken dabei auch Erinnerungen an seine eigene Kindheit und die (unerfüllten) Träume seiner alleinerziehenden Mutter in der Nachkriegszeit hervor. - Der Roman erzählt aufeinanderfolgend drei verschiedene Geschichten, die sich stellenweise kreuzen und sich mit der Gegenwart des Ich-Erzählers immer enger verbinden. (Nominiert für den Deutschen Buchpreis)
Marlene Knörr
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Besichtigung eines Unglücks
Gert Loschütz
Schöffling & Co. (2021)
331 Seiten
kt.