Obwohl alles vorbei ist
Dieser Roman hat viele Facetten: Zarte Liebesgeschichte, einfühlsamer Einwicklungsroman, Mut machende Erzählung über Trauerbewältigung. Quasi nebenbei streift er dabei gesellschaftspolitisch relevante Themen, wie den Klimawandel, die Radikalisierung
von Jugendlichen oder die kulturellen und mentalen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Die Handlung erstreckt sich dabei über einen Zeitraum von zwei Dekaden, die Erzählperspektive wechselt zwischen den vier Mitgliedern der Kernfamilie. Die Zeichnung der Figuren ist lebendig und authentisch. Allerdings wirkt die Handlung streckenweise zu unglaubhaft: Über Jahre hinweg leben die getrennten Elternteile mit jeweils einem Kind in einer Haushälfte, die von der andern mit einer roten Trennlinie abgeteilt ist. Todesfälle häufen sich im engen Umkreis. - Die Komplexität, die durch die großen Zeitsprünge, die häufigen Perspektivwechsel und die vielen angeschnittenen Themen entsteht, mag manche Leser überfordern, der Roman wirkt dadurch etwas überfrachtet. Das Positive daran: Man wird immer wieder überrascht, da die Haupthemen der einzelnen Kapitel und das Fortschreiten der Handlung nicht vorhersehbar sind. Auch die Katastrophe, auf die der Roman zuzusteuern scheint, ist sehr clever konstruiert. Sprachliches Feingefühl und gekonntes Erzählen machen diesen Roman zu einem anspruchsvollen und sehr individuellen Gesamtpaket mit versöhnlichem Ausgang.
Franziska Knogl
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Obwohl alles vorbei ist
Franziska Gerstenberg
Schöffling & Co. (2023)
294 Seiten
fest geb.