So lange her, schon gar nicht mehr wahr

Die preisgekrönte, 1979 in Dresden geborene Autorin ist keine Freundin strahlender Helden und Heldinnen! Im Gegenteil. Unverkennbares Interesse zeigt sie in allen acht meisterhaften Erzählungen für die Schwachen, Hilfsbedürftigen, die zu kurz Gekommenen, die sich im modernen Leben oder im Umgang mit ihren Mitmenschen nicht so leicht tun. Es geht um die Banalitäten des Alltags wie die Unfähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs oder das Scheitern im Beruf und in Gelddingen. Oder auch um existenzielle Situationen, um Schuld und moralisches Versagen, zerstörte Hoffnungen und Träume. Was längst vergangen oder verdrängt ist, brodelt unter der Oberfläche, schwärt wie Eiter in der Wunde, bricht auf, kommt ans Licht. Das Verschwinden einer geliebten Person, das Ende einer Beziehung, das allmähliche Fortschreiten einer Krankheit ... Das ruhige, beinahe monoton unaufgeregte Erzählen entfaltet einen enormen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Dieser entsteht vor allem durch die feinfühlige, immer beeindruckend stringente Charakterzeichnung, aus der heraus sich das Geschehen beinahe zwangsläufig entwickelt. Nicht immer empfindet man Sympathie. Es sind Geschichten mit Widerhaken, oft nicht zu dem Ende erzählt, das man sich als Leser wünschen mag, die gerade deshalb lange nachwirken und fesseln. Sehr empfohlen!