Meroe
Khartum, um das Jahr 2010, ein Franzose wohnt im "Hôtel des Solitaires". Er hat sich in den Sudan versetzen lassen, um weit weg zu sein von seiner Heimat und seiner verlorenen Liebe Alfa. In der Bibliothek der Millionenmetropole, in der er den Angestellten Französisch beibringen soll, stößt er auf die Tagebücher von Charles Gordon, der 1885 britischer Generalgouverneur der ägyptischen Provinz Sudan war. Er war beim Sturm von 40.000 Ansaren auf die Stadt von den Mahdisten gefangen genommen und enthauptet worden. Die Tagebücher des manisch-depressiven Gordon helfen dem Franzosen über die Langeweile hinweg, die er nicht einmal mit Alkohol bekämpfen kann, da dieser hier streng verboten ist. Im "Hôtel des Solitaires" trifft er eines Tages den deutschen Archäologen Vollenders, der seit den 50er Jahren im Sudan arbeitet. Jetzt leitet er Ausgrabungen in der sagenumwobenen Königsstadt Meroe, 200 km nördlich von Khartum. Der Franzose versucht herauszubekommen, was hinter dem mysteriösen Archäologen, dessen Tochter vor einem Jahr bei den Ausgrabungen tödlich verunglückte, steckt. - Mit überbordender Erzählphantasie erzählt der Autor in sich überlagernden Erzählsträngen von den verlorenen Hoffnungen zweier im Leben gescheiterter, permanent zu spät gekommener Männer, die alles, was sie liebten, verloren haben und das afrikanische Land freiwillig als Exil gewählt haben. Das brillante literarische Afrikabild, vermischt mit düsteren Lebensphilosophien, ist für anspruchsvolle Leser mit Interesse für koloniale Geschichte ein besonderes Leseerlebnis. (Übers.: Jürgen Ritte)
Günther Freund
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Meroe
Olivier Rolin
Liebeskind (2017)
301 S.
fest geb.