Eisfuchs

Eine Inuit-Kindheit im Norden Kanadas. Episodenhaft berichtet die Ich-Erzählerin von körperlichem Missbrauch, Alkohol- und Drogenkonsum, von den staatlichen Internaten, in denen Gewalt und Missbrauch herrschten, und wie sie aus dieser harten Realität Eisfuchs in die überwältigende und tröstende Natur und in Traumwelten flüchtet und das Leuchten der Polarlichter oder die Schönheit und Mitleidlosigkeit des Polarfuchses bewundert, der auch das Cover schmückt. Doch bald verlässt die Erzählerin die Ebene der realen Geschehnisse und geht auf "Geistreise": Sagengestalten und Naturgeister mischen sich ins Geschehen ein. Der Animismus, der Glaube an die Beseeltheit aller Natur, ist ausgeprägt. Das Mädchen weiß: "Es gibt noch andere Wirklichkeiten, die neben unserer existieren". So erzählt sie von der Kommunikation mit einem Seehund ("er weiß alles") oder von einem Ritt auf einem Eisbären, bei dem Mensch und Tier zu einem Wesen verschmelzen. Auch bringt die junge Frau Zwillinge zur Welt, empfangen in einer schmerzhaften Nacht mit den Polarlichtern, die Böses und Gutes bewirken. Der Leser taucht in eine fremde und oft surreale Welt ein, die bestimmt wird durch die Natur und alte Mythen. Die Autorin wechselt zwischen Text mit eindringlichen Naturbeschreibungen und sexuellen Fantasien und Prosagedichten. Eine eindrucksvolle Geschichte, bestehend aus Alltagsbrutalität, Naturpoesie und Mystik. Auch der Einband ist sehr passend: blendend weiß und schwarz mit rotem Buchschnitt. Verstörende Lektüre aus dem Gastland der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr für anspruchsvolle Leser.

Ileana Beckmann

Ileana Beckmann

rezensiert für den Borromäusverein.

Eisfuchs

Eisfuchs

Tanya Tagaq ; aus dem Englischen von Anke Caroline Burger ; Illustrationen von Jaime Hernandez
Verlag Antje Kunstmann (2020)

195 Seiten : Illustrationen
fest geb.

MedienNr.: 600449
ISBN 978-3-95614-353-3
9783956143533
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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