Inniger Schiffbruch
Beim Ausräumen seines Elternhauses stößt Frank Witzel auf zahlreiche Erinnerungsstücke und taucht erneut ab in die Zeit seiner Jugend in den Sechziger Jahren. Für sein Buch "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" (BP/mp 15/936) wurde Frank Witzel (Jg. 1955) 2015 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Assoziativ erzählt er von den Erlebnissen seines Vaters im Dritten Reich, von alten Familienfotos, beschreibt die Allzweckhalle als Mittelpunkt des sozialen Lebens, die Mondlandung und seine erste Freundin Regine. Dadurch entsteht ein sehr lebendiges Bild von einem kleinstädtischen Kosmos und dem Lebensstil der Sechziger Jahre, in dem sich sicher viele Leser wiederfinden werden. Witzel setzt sich aber auch auf philosophischer und psychologischer Ebene kritisch und sehr belesen mit dem Thema Erinnerung auseinander, wie sie uns prägen, wie subjektiv sie sind. Dadurch hebt er die autobiografisch geprägte Erzählung auf ein allgemein gültiges Niveau. Für anspruchsvollere Leser, die etwas mehr erwarten als nur Unterhaltung, sehr empfehlenswert.
Marion Sedelmayer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Inniger Schiffbruch
Frank Witzel
Matthes & Seitz (2020)
355 Seiten
fest geb.