Wir ohne Wal
Debütromane haben eine eigene Aura, wenn sie gut sind. Birgit Birnbacher zieht den Leser in die Gedankenwelt der Whatsapp-Generation. Ihre Figuren sind Mittzwanziger, die "Vetmed" studieren, Hannah Arendt lesen, ihre Laptoptaschen unter den Cafétisch
stellen, Bus fahren, Drogen probieren, Nacktpartys feiern. Vor allem wollen sie eines: wegkommen. Aber wie, wenn sie nicht wissen, womit sie beginnen sollen? Zehn Erzählungen reiht die Autorin zu einem losen Ganzen, Ego-Geschichten an der Schwelle zum Erwachsensein, Kommunikationstrips zwischen Kunst und Leben, Realität und Phantasie, wie der "Wal" im Titel des Buches, eine 20 Meter lange, luftgefüllte Kunstfigur am Himmel. Und das ist das Reizvolle an diesen 'instagrammatischen' Miniaturen: Die Figuren teilen Worte, Bilder, Erlebnisse, Lebensrisiken und Hoffnungen - und suchen doch immer sich selbst im anderen. Die Autorin, die in Äthiopien und Indien als Jugendarbeiterin tätig war und Soziologie studierte, wartet mit einem vielversprechenden Debüt auf, das sich zwar noch nicht zum Roman rundet, aber ein findiges episches Potenzial erkennen lässt. Ab mittleren Beständen empfohlen.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.

Wir ohne Wal
Birgit Birnbacher
Jung und Jung (2016)
165 S.
fest geb.