Kafka
Franz Kafka ist der meistgelesene deutschsprachige Autor des 20. Jh., der aber nach wie vor Leser:innen Verständnisprobleme bereitet. Da nimmt man gerne das neue Buch des Erfolgsautors Rüdiger Safranski zur Hand wegen seiner klaren sachlichen und sprachlichen Darstellung. Der Untertitel "Um sein Leben schreiben" zeigt den Schlüssel, mit dem Safranski einem den Autor und sein Werk nahebringen will. Anhand von vielen Selbstzeugnissen wird klar, dass Franz Kafka sich nur im Schreiben verwirklichen konnte. Was sonst zu einem bürgerlichen Leben gehört wie z.B. Ehe und Familie, das erfüllt ihn nicht, ja er hat Abscheu davor. Darüber empfindet Kafka Schuldgefühle, sieht sich als Versager. Sein Vater nennt ihn deshalb lebensuntüchtig. Damit ist Kafkas Grundthema gegeben. Schreiben ist Kafkas Art, die Wirklichkeit zu erfassen und für sich zu gestalten. Dies geschieht oft in einer albtraumnahen Darstellung. Das zeigt Safranski an den Helden der Romane und vieler Erzählungen auf. In 13 Kapiteln entsteht eine Lebensbeschreibung, die sich auf wesentliche Momente beschränkt und in das Werk des Schriftstellers einführt. Viele Informationen können Kafkas Briefen an Max Brod, seinen Freund, und an geliebte Frauen wie Felice Bauer und Milena Jesenska sowie den Erinnerungen von Dora Diamant entnommen werden. Welche Einflüsse Kafka geprägt haben, darüber informiert Safranski, ohne dabei in die Breite zu gehen. Mit seinem Buch schafft er eine Basis, auf der Leser:innen mit ihren eigenen Assoziationen Einsamkeitsgefühle, Schuldgefühle, Versagensängste und Frustrationserlebnisse dargestellt sehen, sich gleichsam in Kafkas Welt wiedererkennen, aber auch seine Fantastik bestaunen können. Neben den Quellen- und Literaturangaben wäre ein Personenregister hilfreich. Der Verlag verzichtet auf Bilder, wohl weil sie in anderen Publikationen und im Internet zugänglich sind. – Für Kafka-Leser ist Safranskis Buch eine echte Verständnishilfe, zudem die Grundlage für weitere zusätzliche Informationen.
Bernhard Grabmeyer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Kafka
Rüdiger Safranski
Hanser (2024)
255 Seiten
fest geb.