Nachtgedanken eines Beichtvaters
In 16 einzelnen Betrachtungen umkreist der Autor das große Thema des (christlichen) Glaubens, wobei sich etwa die erste Hälfte der Meditationen dem Glauben in allgemeiner Hinsicht widmen (Was ist der Glaube eigentlich? Welche Konsequenzen hat bzw. sollte der Glaube für das Leben haben?), während die Abschnitte der zweiten Hälfte verschiedene Phänomene der Zeit im Licht des Glaubens beleuchten wollen. Selbst wenn es um den Glauben im Allgemeinen geht, versteht es Halík, mit neuen, ungewohnten Perspektiven zu überraschen, wenn er etwa in der zweiten Meditation um einen "kleinen Glauben" bittet - klein wie das Senfkorn, aus dem jedoch ein großer Baum wachsen kann, anders als bei von Beginn an allzu sicheren Überzeugungen, die dann aber irgendwann an den Problemen der Wirklichkeit zerschellen. Überhaupt ist es dem Autor ganz wichtig, immer wieder festzuhalten, dass der Glaube im Sinne des Evangeliums nicht aus bestimmten Überzeugungen besteht, vielmehr eine Lebenshaltung darstellt, welche die Welt als ein anvertrautes Geschenk versteht, gegen alles immer wieder erfahrene Scheitern trotzdem an der Hoffnung festhält, dass für Gott nichts unmöglich ist, die nicht versucht, selbst die Stelle Gottes einzunehmen, sondern in der Nachfolge Christi am Leben Gottes teilzuhaben. Dabei verschweigt der Autor nicht, dass auch ein solcher Glaube der Tiefendimension immer wieder bedroht ist, in Zeiten des Leidens oder der Gottesferne die Hoffnung und die Geduld zu verlieren, dass der Glaube letztlich wirklich nur als Gnadengeschenk möglich ist, nicht aber aus eigener Kraft. - Das zweite Buch des tschechischen Theologen in deutscher Sprache (nach "Geduld mit Gott": BP/mp 11/9) enthält zahlreiche anregende und z.T. sogar aufregende Gedanken und ist deshalb allen Büchereien nur zu empfehlen. (Religiöses Buch des Monats Juli 2012)
Thomas Steinherr
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Nachtgedanken eines Beichtvaters
Tomás Halik
Herder (2012)
319 S.
kt.
Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats