Künstlerroman
Vor elf Jahren hat Gerhard Henschel eine autobiographisch fundierte Chronik begonnen (zul. "Bildungsroman", BP/mp 14/393), die dem Autor ein breiteres Lesepublikum beschert hat. Wie ein Fotoalbum schlagen die Romane Seiten aus Jugend und frühem Erwachsenenalter auf, die charakteristisch sind für die Generation der heute um die Fünfzigjährigen, aber doch eigenartig genug, um wie ein episodischer Fortsetzungsroman und zugleich als realistische Epochenchronik erzählt zu werden. Der "Künstlerroman" führt uns, nach dem "Kindheits-", "Jugend-", "Abenteuer-", Liebes-" und "Bildungsroman", in die Studienjahre Martin Schlossers (den man als alter ego des Autors lesen darf). Er wechselt der Aachener Freundin zuliebe den Studienort, von Berlin nach Köln, verzettelt sich in Bioenergetikseminaren, Brotjobs, Küchenphilosophien, bleibt aber ein sich selbst treuer Beobachter seiner Zeit. Zwischen Bob Dylan, "Zeit"-Kolumnen, chaotischen Wohnungsgemeinschaften, rituellen Freundes- und Elternbesuchen spielt sich das Leben dieses unverwüstlichen Helden ab. Und kommt er auch bei seiner liebeslustigen Freundin Andrea auf keinen grünen Zweig, so ist er doch selbstbewusst genug, seinem Wunschweg zum Schriftsteller zu folgen, der ihn unter anderem zu Walter Kempowskis legendären Schreibseminaren in Nartum führt - mit einigen skurrilen Episoden. - Gerhard Henschel ist der Knausgard der deutschen Literatur, seine Romane sind ein Bergwerk der Erinnerung. Empfehlenswerte Lektüre.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Künstlerroman
Gerhard Henschel
Hoffmann und Campe (2015)
572 S.
fest geb.