Die jüdische Souffleuse
Adriana Altaras Ich-Erzählerin und Alter Ego ist Theaterregisseurin und gerade damit beschäftigt, in der deutschen Provinz "Die Entführung aus dem Serail" zu inszenieren. Neben den üblichen Herausforderungen, Schauspieler, Bühnenbild und Budget unter einen Hut zu bringen, beschäftigen sie auch die persönlichen Probleme der exzentrischen Souffleuse Sissele. Diese ist auf der Suche nach ihrer jüdischen Familie, deren Spuren sich in den Wirren der Nachkriegszeit verlieren. Altaras (zul. "Titos Brille", BP/mp 11/351), ebenfalls Jüdin mit kroatischen Wurzeln, begibt sich mit ihr auf eine Odyssee quer durch die Republik, um am Ende eine überraschende Antwort auf Sisseles Fragen zu finden. - Der lakonisch geschriebene und von trockenem Humor gefärbte autobiografische Roman kreist um die beiden Erzählwelten Theater und jüdische Identitätsfindung und gibt dabei persönliche Einblicke in die Lebenswelt der Autorin. Vieles davon ist unterhaltsam, einiges berührend, manches verwirrend, da doch sehr speziell und fremd für Leser/innen, die nicht in eine der beiden "Szenen" involviert sind. So ist der Roman einerseits ein persönliches Zeugnis zur Vergangenheitsbewältigung, andererseits eine Satire auf die Kapriolen der Theaterbranche. Ziemlich sprunghaft erzählt der Roman von der Last der Geschichte und von traumatischen Erfahrungen, die Generationen prägen. In großen Beständen für historisch interessierte Leser/innen empfehlenswert.
Vanessa Görtz-Meiners
rezensiert für den Borromäusverein.
Die jüdische Souffleuse
Adriana Altaras
Kiepenheuer & Witsch (2018)
202 S.
fest geb.