Entfernte Verwandte
Zehn Kriminalfälle hat der Triester Commissario Proteo Laurenti seit 2001 unter der Feder des Autors Veit Heinichen gelöst. Auf Band 11 hat Heinichen seine Leser zuletzt vier Jahre lang warten lassen (zul. "Scherbengericht", BP/mp 18/97) und trumpft
nun mit einer sehr komplexen Mordserie auf, die den Leser tief in die Geschichte Italiens zur Zeit des Faschismus und der deutschen Besetzung eintauchen lässt. Mehrere Mordfälle nach gleichem Schema erschüttern in kürzester Zeit die Stadt Triest und das Umland. Commissario Laurenti nimmt in gewohnt lässiger Art und mit typischem schwarzem Humor die Ermittlungen auf. Die Opfer werden allesamt in der Nähe bedeutender Partisanen-Mahnmale oder ähnlicher Gedenkorte der italienischen Weltkriegsvergangenheit gefunden. Tatwaffe: eine Armbrust, bedient von einem außerordentlich geübten Schützen. Besonderheit: Die Mordopfer tragen Kopien handgeschriebener Briefe bei sich, die Hinweise auf kollaborative Tätigkeiten ihrer Vorfahren liefern. Sehr schnell drängt sich der Verdacht auf, dass der Serienmörder einen zeitversetzten Rachefeldzug zur Sühnung nie geahndeter, vertuschter Kriegs- und Nachkriegsverbrechen führt. - Beim Einstieg in diesen sehr verstrickten Kriminalroman ist Durchhaltevermögen erforderlich, um sich in die verschiedenen Szenarien, Schauplätze und Familienverhältnisse einzulesen. Kenntnisse über die Geschichte, Geografie und Gesellschaftspolitik Italiens sind von Vorteil, wenn nicht sogar Voraussetzung. Verlangt aufmerksames, konzentriertes Lesen und ist deshalb beispielsweise nicht geeignet für eine Kurzlektüre vorm Schlafengehen. Für Liebhaber anspruchsvoller Kriminalliteratur jedoch durchaus zu empfehlen.
Elisabeth Brendel
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Entfernte Verwandte
Veit Heinichen
Piper (2021)
318 Seiten
fest geb.