Das Phantom
Der Autor selbst empfahl auf der Leipziger Buchmesse, jeden Tag nur EINEN Satz seines neuen Romans zu lesen. Es handelt sich aber auch um wahre Syntax-Ungetüme, die sich wie die Eiger-Nordwand über mehrere Seiten erstrecken. Man muss schon ein literarischer
Extrembergsteiger sein, um an diesen ausufernden Schachtelsätzen Spaß zu haben. Einen Feel-Good-Roman darf man sowieso nicht erwarten. Eine Handlung ist quasi nicht existent, vielmehr wird der Leserschaft ein assoziativ verbundener Gedankenstrom des grüblerischen Sonderlings Thom präsentiert. Der Ich-Erzähler befindet sich vermutlich kurz vor seinem Lebensende und lässt in einer knappen halben Stunde (die Kapitel sind mit minutengenauen Uhrzeiten versehen) Ereignisse aus seiner Vergangenheit Revue passieren. In rhythmisierter und fein abgestimmter Prosa erfahren wir von seiner Kindheit, in der seine Eltern versagt haben, von einem missglückten Annähern an die Kellnerin Gretchen und von dem Versuch, eine Schwarze Mamba als Haustier zu halten. - Fans von Thomas Bernhard dürfte das literarische Experiment gefallen, ansonsten ist es eher etwas für Germanistik-Seminare als für Freizeit-Leser/-innen.
Franziska Knogl
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Das Phantom
Michael Stavaric
Luchterhand (2023)
316 Seiten
fest geb.