Nicht ich
Die namenlose Protagonistin hat ihren Mann und ihre Tochter verlassen, wahlweise wurde diese Tochter aber auch entführt oder lebt beim Vater in einem Haus ganz in Weiß. Nichts ist klar in diesem Erstlingswerk der Autorin, das nach Erscheinen in Israel vor 30 Jahren zunächst völlig verrissen wurde, und erst jetzt den Leser:innen wieder zugänglich gemacht wird, nachdem die Autorin mit ihren späteren Romanen weltberühmt wurde. Das Buch liest sich wie ein Rausch, als Explosion jeglicher Kausalität und Vernunft, und doch erkennt man zwischen den Zeilen die große Verzweiflung, die Zerrissenheit zwischen Trennungsangst und Freiheitsliebe, die Sehnsucht nach geordnetem Familienleben, die Trauer darüber, nicht dazu geschaffen zu sein, die Angst vor dem Vereinnahmtwerden, dem Verschwinden in Rollenklischees. Es ist nicht leicht, den oftmals grotesken Gedankengängen der Autorin zu folgen, und so eignet sich das Buch vor allem für experimentierfreudige Lesende und Shalev-Kennende.
Martina Häusler
rezensiert für den Borromäusverein.
Nicht ich
Zeruya Shalev ; aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer
Berlin Verlag (2024)
207 Seiten
fest geb.