Jeder hier nennt mich "Frau Bauhaus"

2019 steht die 100-Jahr-Feier des Bauhauses an. Und kaum ein schönerer Zugang zum Thema neues Bauen, Wohnen und Leben ist denkbar als Jana Revedins biografischer Roman über Ise Frank. Diese ist nicht nur Cousine des berühmten französischen Designers Jean Michel Frank, Freundin der späteren Frau Adenauers und die zweite Frau Walter Gropius', sondern eine von Revedin mit großem Einfühlungsvermögen und Sachkenntnis geschilderte faszinierende Persönlichkeit. 1923 lernt sie Gropius in Hannover kennen. Ihre Liebe zum 14 Jahre älteren Gropius, und die spätere zarte, intensive Freundschaftsbeziehung zur Fotografin Irene Hecht sind die Brennpunkte in dieser Bauhaus-Erzählung. Eine solche ist das Buch in der Tat, denn verbunden mit dem Schicksal Ise Franks bilden die Menschen um Gropius und die Ideen und Entwicklung des Bauhauses das Motiv der Erzählung. Dadurch erhält der Leser ein Doppelprofil eines weiblichen Lebens und der Verfechter eines später weltweit bedeutenden Baustils. Die Erzählung endet 1932 nach dem Tod der frühgeborenen Tochter und Ises schwerer Krankheit mit den Vorbereitungen auf das Exil, das angesichts der aufkommenden Nazi-Herrschaft für diese modernen Menschen des "libertinen Lebensstils" überlebensnotwendig wird. Ein Schlusskapitel resümiert die weitere Lebensgeschichte der Protagonisten. Einige Bauhaus-Meister, wie Johannes Itten oder Hannes Meyer sind recht karikaturhaft gezeichnet und Kleinigkeiten der detailgenau scheinenden Darstellung passen nicht (etwa dass Tschechien, Ungarn und Jugoslawien 1923 kommunistisch wären). - Das mindert nicht die Qualität der Darstellung, der es gelingt, die Bauhaus-Geschichte anhand einer wenig bekannten Frau des engsten Kreises in den Wirren der Jahre 1923 bis 1932 auf faszinierende Art zu erzählen. Empfehlung für alle Bestände.