Vor hundert Jahren und einem Sommer

Vor hundert Jahren und einem Sommer - also kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs - endet dieser spannende und berührende Entwicklungsroman, der in Teilen auch als historischer Gesellschaftsroman gelesen werden kann. Erzählt wird in einer geradezu Vor hundert Jahren und einem Sommer altmodisch anmutenden, sehr eigenwilligen, außerordentlich bilderreichen und eindringlichen Sprache vom Schicksal der jungen Annemie, die bei Zieheltern im "Dorf der Kirschen" irgendwo in Österreich aufwuchs, zusammen mit Jonathan, einem Waisenjungen. Der Schmerz der Trennung von der Mutter wurde dadurch gelindert, dass die Stiefeltern die beiden Kinder voller Fürsorge aufziehen. Allerdings müssen sie sie aus blanker Not fortschicken, kaum dass sie dem Kindesalter entwachsen sind. Ein Leben voller Entbehrungen und Erniedrigungen beginnt für Annemie. Aus dem Armenhaus befreit sie ein dubioser "Experimenteur", der freilich ihre Notlage ausnutzt und sie zur Dirne macht. Am Ende des Romans wird sie sich auf furchtbare Weise an ihm rächen. Jonathan muss einrücken (seine Kriegserlebnisse werden sehr eindrucksvoll geschildert), überlebt, gerät aber in Gefangenschaft und kommt am Ende - mehrfach vom Glück begünstigt - wohlbehalten zurück. Ein ausgesprochen harmonischer Schluss also, in einem "märchenhaften Entwicklungsroman" (Einband), der, was die das Geschehen oft überwuchernden Naturbeschreibungen anbetrifft, manchmal etwas manieriert wirkt. Dennoch ohne Frage ein lesenswerter, sehr eigenwilliger Roman eines mehrfach ausgezeichneten österreichischen Autors.

Vor hundert Jahren und einem Sommer

Vor hundert Jahren und einem Sommer

Jürgen-Thomas Ernst
Braumüller (2015)

480 S. : Ill.
fest geb.

MedienNr.: 797967
ISBN 978-3-99200-139-2
9783992001392
ca. 23,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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